Philosophie

„Xenophon e.V. bewahrt und verbreitet das Wissen der klassischen Reitlehre in der Tradition des Feldherrn Xenophon, auf Basis der H.Dv.12 sowie der Richtlinien der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN). Wir treten für einen schonenden, den physischen und psychischen Voraussetzungen angepassten, Umgang mit dem Pferd und damit für besseres und pferdegerechtes Reiten ein.“

Bewusst hat sich unser Verein unter den Namen Xenophons gestellt, der um 365 v. Chr. für seine Vaterstadt Athen all sein Wissen, sein Können und seine lebenslange Erfahrung im Umgang mit Reitpferden niedergeschrieben hat. Sein Buch „Über die Reitkunst“ hat sich auf Grund seiner Qualität über die fast zweiundeinhalb tausend Jahre der Überlieferung erhalten und gilt zu Recht als wichtigste Quelle der abendländischen Schulreiterei. In ihm setzt er sich nachdrücklich für einen pferdefreundlichen, verständnisvollen und schonenden Umgang mit dem Pferd ein und wendet sich deutlich gegen – schon damals – verbreitete Irrwege der Dressurausbildung. Xenophons Prinzipien und Ausbildungsgrundsätze haben noch heute Gültigkeit und bilden die Grundlage der Philosophie unseres Vereins(Dr. Klaus Widdra)

Nur wer die Natur des Pferdes in körperlicher und in geistiger Hinsicht achtet  und wer dabei aus den Kategorien des ‚Beherrschers’ herabsteigt, wird den Partner gewinnen, der den Menschen im Sattel wirklich glücklich machen kann. Dieses Glück besteht nicht in öffentlicher Anerkennung, sondern in dem Gefühl mit seinem Pferd eins zu sein in vollendeter Harmonie. Der Wert der Reitkunst wird also nicht gemessen am Schwierigkeitsgrad der Übung, sondern am Grad der Übereinstimmung zwischen Reiter und Pferd und deren sichtbarem Ausdruck. Der Weg dahin ist klar vorgezeichnet, um ihn zu gehen, muss man kein ‚Reitkünstler’ sein. Das lehrt ein jahrhundertealter Erfahrungsschatz – eben ‚erfahren’ im Sattel – richtig, wahr und wirksam bis heute. Und dieser Schatz darf nicht verloren gehen oder verschüttet werden. Darum: Erhalt und Förderung der klassischen Reitkultur. (Hans Heinrich Isenbart †, langjähriger Ehrenvorsitzender)

„Richtig Reiten reicht!“
(Major a.D. Paul Stecken)

„Klassische Reitkultur“ ist der Begriff für die Ausübung des Reitsports im Sinne der Klassischen Lehre nach den bewährten Grundsätzen der Alten Meister. Diese stellt bei allen Anforderungen die Gesundheit und das Wohlbefinden des Pferdes in den Vordergrund. Die Ausbildung nimmt daher Rücksicht auf die sich durchaus unterschiedlich entwickelnde psychische und physische Bereitschaft des Pferdes zu williger Mitarbeit und auf die damit erstrebte „Harmonie zwischen Reiter und Pferd“ – der Devise für Klassisches Reiten. Der hohe reiterliche und ethische Anspruch an den Ausbilder als auch Fairness und Respekt vor der Persönlichkeit des Pferdes verbieten hierbei jede Zwangsmaßnahme sowie auch jede der Natur des Pferdes widersprechende Manipulation.

Denn: „Wo Gewalt einsetzt, bleibt der Weg zur Kunst verschlossen“.

Ziel der Ausbildung ist es, das Pferd durch systematisch aufbauende, gymnastizierende Arbeit dazu zu befähigen, das Gewicht des Reiters in allen Gangarten mühelos zu tragen und sich dabei in kontrollierter Losgelassenheit mit natürlichem Charme zu bewegen. Mit erhöhter Versammlung verfeinert sich die Balance, das Pferd wird leichter in der Vorhand, „trägt sich selbst“ und gewinnt „die Ausstrahlung einer imponierenden Persönlichkeit“ (Xenophon).

Bei allem Bestreben, das Pferd an die in der Dressur vorgesehenen Lektionen heranzuführen, dürfen die Grundelemente der Ausbildung wie Takt, Losgelassenheit, Anlehnung und Schwung, wie auch Geraderichtung und Versammlung niemals beeinträchtigt werden. In ihrer Bedeutung und Wertigkeit stehen sie doch hoch über jeder mechanischen Perfektion.

Harmonische Übergänge von höchster Konzentration zu völliger Entspannung – und umgekehrt – sind Beweise für Hingabe und Vertrauen des Pferdes in das reiterliche Können. Wenn einmal das „Können“ im Sinne der Klassischen Lehre voll gefestigt ist, kann kultiviertes Reiten sich zur „Kunst“ entwickeln.
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Vor einem Menschenalter konnten wir in unserem Lande – wie seit Jahrtausenden – ohne Pferde nicht leben. Heute sind Pferde zur Erhaltung des menschlichen Lebens nicht mehr nötig. Wenn das Zeitalter des Pferdes vorüber ist, das Liebesverhältnis zwischen Mensch und Pferd ist so jung wie vor Zeiten, als die Geschichte begann. Es kann nicht altern. Denn Mensch und Pferd sind füreinander geschaffen. Auch heute noch, da die Pferde nur noch Freizeitpartner sind.

Pferdeliebe und Passion aber sind aus jener Zeit gewachsen, da Menschen ohne Pferde nicht leben konnten, hinüber in eine Zeit, in der man ein altes, unendlich wertvolles Kulturgut nicht entbehren will. Auch wenn das Wissen, das einst aus dem Zusammenleben und -arbeiten von Mensch und Pferd gewachsen war, mehr und mehr der Vergessenheit anheimfällt. Eine Brücke muss geschlagen werden vom Einst zum Jetzt, da es um Werte geht, für die es keinen Denkmalschutz gibt.

Und doch ist es so nötig, ethische Grundbegriffe vergangener Zeiten im heutigen Denken und Handeln neu zu verankern. Das einst Selbstversändliche muss heute gezielt gelehrt und gelernt werden: Eigenschaften und Fähigkeiten, die letztlich für den Umgang mit Menschen genau so notwendig sind wie für den Umgang mit Pferden. Pferde verlangen Distanz, sie haben sich in der Geschichte ihres Dienstes mit dem Menschen nie gemein gemacht. Nur wer Pferde als freie, lebendige Partner und als Geschöpfe Gottes anerkennt, wird den Adel ihres Wesens und schließlich ihre Zuneigung erfahren. Und er wird etwas gewinnen, was über die Fertigkeit im Sattel weit hinausgeht: Einen stolzen Diener – statt einen unterworfenen aufsässigen Knecht. Und nur ihm wird sich offenbaren, was es heißt, Mensch zu sein: teilhaftig der Natur und doch ihr nicht verhaftet, sondern ihr Herr.

Darum ist – und bleibt – Reiten eine Schule der Menschlichkeit.
(
Hans-Heinrich Isenbart (vgl. Klaus Widdra, Xenophon, 2017))

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