„Mein Pferd will mich wohl veräppeln!“ Damit wird dem Pferd etwas unterstellt, wozu es auf Grund seiner Natur überhaupt nicht in der Lage ist. Ich kann ein Pferd auch durch Möhrchen nicht dazu veranlassen. dass es sich brav verhält. Hinterhältigkeit oder Korumpierbarkeit sind dem menschlichen Charakter vorbehalten. Auch darf man einem Pferd keine Widersetzlichkeit unterstellen, es zeigt höchstens ein (dann berechtigtes) Abwehrverhalten gegen reiterliche Grobheiten oder Unfähigkeiten. Auch ein Pferd mit einem Peitschenhieb nach einer Verweigerung am Sprung zu bestrafen, zeugt nur von fehlendem Verständnis des Reiters für die natürliche Verhaltensweisen oder Reaktionen des Pferdes. Grüne für eine Verweigerung können unterschiedliche sein; meist liegen Reiter- oder Ausbildungsfehler vor oder das Pferd hat Angst. Beide Ursachen kann man aber nicht mit der Gerte beheben.
So werden oft menschliche Denkweisen, Empfindungen oder Verhaltensmuster auf das Pferd übertragen; so zum Beispiel auch jetzt in der kalten Jahreszeit, in der viele Stallfenster zugemacht werden, weil das Pferd frieren könnte oder weil es an Zugluft erkranken kann. Dabei hat ein Pferd eine wesentlich größere Kältetoleranz als der Mensch und es braucht als ehemaliges Steppentier zur Thermoregulation eine konstante Luftzirkulation um seinen Körper.
An diesen Beispielen wird deutlich, dass wir in unserer „Liebe“ zum Pferd dieses oft vermenschlichen. Daher ist einer der ersten Merksätze in unseren Richtlinien: „Der Mensch muss sich mit seinem Verhalten an der Natur des Pferdes orientieren – nicht an der Natur des Menschen!“ Auch unsere Reitlehre orientiert sich an der Natur des Pferdes, an seinen Bedürfnissen und seinen natürlichen Anlagen und Verhaltensweisen. Daher müssen wir uns mehr mit der Natur und Biologie des Pferdes beschäftigen, um konfliktfrei und harmonisch mit dem Pferd kommunizieren zu können. Ein Pferd ist ein sehr soziales Wesen, dass sich eigentlich nur in der Nähe von Artgenossen wohlfühlt. Dennoch ist zwischen Mensch und Pferd der Aufbau einer Sozialpartnerschaft möglich. Wichtig ist, dass dies auf der Basis von gegenseitigem Vertrauen und Respekt erfolgt. Unterordnung liegt in der Natur des Pferdes. Der Mensch als körperlich Unterlegener darf diese aber nie durch Kraft oder gar Gewalt zu erreichen versuchen, sondern mit Eingehen auf das Pferd in Kenntnis seines Lernverhaltens. Geduld im Aufbau des Vertrauens und Konsequenz sind Grundlagen dafür, dass das Pferd zuverlässig reagiert und tut, was der Mensch von ihm erwartet. Dies gilt für jeden Umgang mit dem Pferd, vom Boden aus, in der Ausbildung und bei der täglichen Arbeit.