Es ist schon traurig! Der Weltreiterverband FEI hat sein Regelwerk Dressur überarbeitet und darin nun folgenden Passus aufgenommen: Es ist strengstens verboten jedwede weiße Substanz rund um das Pferdemaul zu verwenden, um Schaum zu imitieren. Dies stellt einen Betrugsversuch dar und verstößt gegen das Wohlbefinden des Pferdes, weil es Verletzungen an der Lippe überdecken könnte. Wer dies tut, wird verwarnt oder erhält eine gelbe Karte.
Für diejenigen, die das Thema nicht verfolgt haben: Es geht um weiße Zuckerpaste, die man im Supermarkt kaufen kann und die manche Menschen sich aufs Brot schmieren. Dressurreiter hingegen streichen ihren Pferden damit das Maul ein, um Richtern und Zuschauern vorzugaukeln, ihre Pferde würden ganz toll kauen und schäumen. So wie es sein soll, wenn ein Pferd reell von hinten nach vorne über den Rücken gearbeitet wird. Aber wer bei der Ausbildung gepfuscht hat, muss eben in die Trickkiste greifen. Toll, dass die FEI jetzt eine Regel dagegen aufgenommen hat – auch wenn das Problem schon seit fünf Jahren bekannt ist. Aber immerhin, nun haben die Stewards eine Handhabe, wenn ihr Gummihandschuh bei der Gebisskontrolle am Maulwinkel kleben bleibt.
Es ist Betrug. Es vertuscht Ausbildungsmängel.
Was man sich allerdings fragt: Was geht in den Köpfen der „Reiter“ vor, die sich solcher „Hilfsmittel“ bedienen? Nicht allzu viel anscheinend. Wie die FEI im betreffenden Absatz ja bereits anmerkt, es ist Betrug. Es vertuscht Ausbildungsmängel. Und möglicherweise überschminkt es auch Verletzungen des Pferdes im bzw. am Maul. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist die, ob Reiter, die solche Tricks anwenden, denn eigentlich gar kein Ehrgefühl und Gewissen haben – als Sportler im Allgemeinen, vor allem aber als Pferdesportler, die es mit einem Lebewesen zu tun haben, das ihnen ausgeliefert ist und für dessen Wohlergehen sie die Verantwortung tragen. Ob nun Doping, Stacheln in Gamaschen oder eben Zuckerpaste ums Maul – hier wird versucht, mit unlauteren Mitteln sportliche Leistungen zu erringen, die noch dazu auf Kosten des Sportpartners Pferd gehen. Wir leben in einer Zeit, in der der Pferdesport um seine Existenz bangen muss. Im Internet kursiert eine Petition, die die Abschaffung des Pferdesports bei Olympia fordert. Sie hat innerhalb weniger Wochen mehr als 60.000 Unterschriften bekommen (bei Drucklegung dieses Heftes). Wenn man erlebt, dass ein Dachverband derartige Regeln aufstellen muss, kommt man nicht umhin zu sagen, die schwarzen Schafe unter den Reitern (denn glücklicherweise gibt es ja auch andere) sind eifrig dabei, den Sarg des Pferdesports zusammenzuzimmern. Dies ist ein weiterer Nagel darin. Traurig.