Erst vor kurzem hatte die Internationale Reiterliche Vereinigung (FEI) beschlossen, die Schlussnoten bei internationalen Dressurturnieren zu streichen. Begründung: Die Aspekte flössen ja ohnehin in jede Einzelnote ein. Nun wird auch noch die Grand Prix-Aufgabe so verkürzt, dass wesentliche Prüfsteine der klassischen Ausbildung wie das Rückwärtsrichten oder der Schritt entweder ganz wegfallen, oder aber stark verkürzt werden. Die Streichung der Schlussnoten war der erste Schritt in die falsche Richtung, die Kastration des Grand Prix ist der zweite!
Lektionen wie beispielsweise die Piaffe können das Ergebnis guter Ausbildung sein. Sie können dem Pferd aber auch regelrecht beigebracht werden. Dressur im Sinne von dressieren und nicht mehr gymnastizieren. Ein taktreiner, losgelassener und fleißiger Schritt hingegen ist immer das Ergebnis sorgsamer Ausbildungsarbeit. Darum sollte z.B. der Schritt nach dem Wegfall der Schlussnoten eher noch mehr Gewicht erhalten als zuvor. Eine Möglichkeit wäre es auch, Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen im Grand Prix einzuführen. Denn auch hier lassen sich die solide Ausbildungsarbeit und reelles Gerittensein erkennen und bewerten.
Nicht auf die Uhr schauen müssen, wenn der Grand Prix läuft
Nun hat man in der verkürzten Grand Prix-Version versucht, weitgehend dieselben typischen Grand Prix-Anforderungen in ein deutlich kürzeres Format zu pressen. Das ist aber nicht dasselbe, wie die Lektionen im Rahmen des klassischen Grand Prix. Ein Beispiel: die Trabtraversalen. In der verkürzten Version sind die Traversalverschiebungen nur noch halb so lang wie im klassischen Grand Prix gefordert. Der Grad an Stellung und Biegung mag dabei derselbe sein, doch es ist ja gerade die Strecke, über die sich zeigt, ob die Pferde ausbalanciert und geschmeidig genug sind, um den hohen Grad der Biegung auch halten zu können. Nun verlangt der Weltreiterverband nach immer kürzeren und unterhaltsameren Prüfungsformaten – auch, um Dressur als olympischen Programmpunkt zu erhalten.
Aber dafür die klassische Ausbildung opfern? Das kann nicht der Weg sein! Und wir bezweifeln auch, dass die FEI hier den richtigen Ansatz wählt. Denn wer sich für Dressur interessiert, möchte ja gerade die Gymnastizierung auf höchstem Niveau erleben – und schaut dann auch nicht auf die Uhr, ob die Aufgabe eine Minute länger oder kürzer ist.