Nach dem Regelwerk der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI) für Stewards an internationalen Abreiteplätzen dürfen die Reiter ihre Pferde rund zehn Minuten lang in einer fixierten Kopf-Hals-Position halten. Damit die Stewards eine Orientierung haben, was geht und was nicht, wurde ein Diagramm mit Pferden in drei unterschiedlichen Kopf-Hals-Positionen gezeichnet: „Long, deep and round“, „Low, deep and round“ und „Long and low“. Problematisch ist aus unserer Sicht die Version Low, deep and round. Denn das ähnelt der Hyperflexionshaltung, besser bekannt als „Rollkur“.
Der Kriterienkatalog fürs Abreiten der Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) sieht bei „gezielt durch Einwirkung erzeugte Extremhaltung und deren Fixierung“ (unter anderem) hingegen „sofortigen Handlungsbedarf“ seitens des Aufsicht führenden Richters. Gut so! Die Begründung ist schlicht und einfach: Das ist nicht pferdegerecht. Und nur das kann der Maßstab sein bei der Beurteilung reiterlichen Handelns. Ein Pferd mit der Nase hinter der Senkrechten ist nicht automatisch eine gequälte Kreatur. Und ein geöffnetes Maul ist kein pauschaler Hinweis auf eine brutale Zügelführung.
10 Minuten LDR – auf dem Abreiteplatz eingehalten!
Das ganze Thema beschäftigte jüngst wieder die Pferdeszene beim CHIO Aachen, wo das internationale Regelwerk gilt. Wir hatten nicht den Eindruck, dass beim CHIO Aachen besonders schlecht abgeritten wurde, so wie in den sozialen Netzwerken kommuniziert. Im Gegenteil, der Trend geht wieder vermehrt in die Richtung reell ausgebildeter und gut gerittener Pferde. Wobei man nicht darüber hinwegsehen darf, dass es schwarze Schafe gibt. Aber diese wurden in Aachen auch entsprechend abgemahnt bzw. von den Richtern abgestraft. Und das vor allem ist eine Entwicklung, die man nur begrüßen kann! Denn geritten wird, was gerichtet wird. Diese Einschätzung der Situation beim CHIO Aachen teilen viele Fachleute vor Ort.
Ein Problem ist allerdings, dass die Pferde besagter schwarzer Schafe noch immer dem internationalen Regelwerk entsprechend zehn Minuten lang in Extremhaltung geritten werden dürfen. Keine schönen Bilder, nicht unsere Auffassung von klassischer Reitkunst, und dennoch international erlaubt. Der Steward oder Richter kann hier nur eingreifen, wenn diese gewollte Überzäumung aggressiv erzeugt wird. Aber bei manchen Pferden bedarf es dafür gar keiner großen Anstrengung seitens des Reiters. Trotzdem sind Extrempositionen nicht pferdegerecht.
Wir appellieren daher an den Dressurausschuss der FEI, diese Regel nun endlich zu streichen! Und an die FN, all ihren Einfluss zur Eliminierung dieser Regel weiter geltend zu machen. Es geht nicht darum, ein zu eng eingestelltes Pferd grundsätzlich zu sanktionieren oder zu kritisieren. Nicht selten verkriechen Pferde sich ja hinter dem Gebiss, weil sie noch nicht gelernt haben, an die Hand heranzutreten, was für einen Reiter schwierig zu beheben ist und viel Zeit und Geduld erfordert. Was wir kritisieren, ist die Akzeptanz der bewusst herbeigeführten Überzäumung als Ausbildungsmethode.