Wer Pferdeleistungsschauen für Jungpferde verfolgt, wird bemerkt haben, dass sich die durchschnittliche Pferdequalität der letzten Jahre enorm entwickelt hat. Die Pferde werden immer elastischer und von Hause aus ausbalancierter. Pferde dieser Art auszubilden, ist ein Geschenk. Und zugleich eine riesengroße Verpflichtung, denn Talente, die sich so anbieten, kann man nur allzu schnell überfordern. Mehr Elastizität bedeutet meist auch mehr Instabilität des Weichteilapparats. Man meint, Pferde dieser Sorte seien einfacher und schneller auszubilden, weil ihnen alles in den Schoß fällt.

Schon Fohlen traben wie Weltmeister

Doch in Wahrheit ist es fast schwieriger, sie zu fördern. Die größte Aufgabe des Ausbilders ist es, ihren Körper zu kräftigen, ihn stark genug zu machen für ein Leben als Sportpferd. Doch Trainingseffekte erzielt man nur durch Trainingsreize. Man muss also an Grenzen gehen. Nur überschreiten darf man sie nicht. Und das geschieht nur allzu leicht. Um sich davon ein Bild zu machen, braucht man sich nur die Jahresbilanz einer beliebigen Pferdeklinik anzuschauen – Sehnenschäden, Fesselträgerentzündungen, Hufrollenprobleme sind gute Einnahmequellen für die Tierärzte. Aber warum ist das so? Dafür muss man sich nur vor Augen führen, dass ja mitunter schon Fohlen traben wie die Weltmeister. Dafür brauchen sie keine Muskeln. Das funktioniert über ihren hoch elastischen Faszienapparat. Der ermöglicht es auch zweieinhalbjährigen Junghengsten bei Körungen 1,60 Meter zu überwinden. Aber dieses gottgebene Geschenk ist endlich, wenn man es nicht vorsichtig behandelt. Werden Faszien immer wieder überbeansprucht, entstehen Mikrorisse, die vernarben. Vernarbtes Gewebe ist weniger flexibel, die Faszien weniger elastisch und das Pferd damit auch. So kommt es, dass ein Dreijähriger mitunter trabt, dass einem schwindelig wird, davon aber neunjährig nichts mehr zu sehen ist. Umgekehrt wäre besser.

Was braucht es dafür? Ein Sportpferd, das nicht nur sich, sondern auch den Reiter auf seinem Rücken ausbalancieren soll und dabei noch Lektionen gehen, Hindernisse überwinden etc. soll, braucht Muskulatur, die ihm das ermöglicht. Wie die entwickelt wird? Anhand der Skala der Ausbildung. Die klassische Reitlehre liefert das Gerüst, mit dem ein Sportpferd gesund alt werden kann. Doch das alleine genügt noch nicht. Vor allem ist auch das Fingerspitzengefühl des Ausbilders gefragt. Er muss erkennen, dass der vierbeinige Eleve trotz allen Talents physisch (psychisch übrigens auch!) noch lange kein Athlet ist. Und er muss im Gefühl haben, wie er das Pferd fördern kann ohne es zu überfordern – und Rückgrat genug haben, sämtlichen Verlockungen zu widerstehen.