von Martin Plewa

Will man ein Gebiss kaufen, so findet man ein riesiges Angebot, oft beworben mit Versprechungen, wie z. B. Anregung zu verbesserter Kautätigkeit, Beheben von Zungenfehlern, besondere Eignung bei Durchlässigkeits- oder Anlehnungsproblemen usw. Die Vielfalt der Gebisse kann dazu verleiten, beim Auftreten von Schwierigkeiten das Heil in einem neuen Gebiss zu suchen, statt über das eigene Reiten nachzudenken. Auf Turnieren sind die Einsatzmöglichkeiten von Gebissen und Zäumungen etwas begrenzt, solange man nicht Springen ab der Klasse M** reitet, wo Gebisse nach Belieben gewählt werden können. Tatsächlich werden im Springsport oft schärfere Gebisse eingesetzt, auch von erfolgreichen Reitern, was die weniger erfahrenen Reiter auch dazu animieren kann, solche Zäumungen zu verwenden. Dabei tun sich viele Reiter schon schwer, sich die Wirkungen eines korrekt sitzendes Trensengebisses vorzustellen; umso schwieriger ist es, Gebisse mit zusätzlichen Wirkungen, z. B. Hebelkräften oder ungewöhnlichen Formungen abzuschätzen.

Eine feine, ruhige Reiterhand als wichtigste Voraussetzung

Jedem Reiter sollte vorab bewusst sein, dass das Maul die schmerzempfindlichste Körperregion des Pferdes ist. Die Pferdezunge ist nach dem Gehirn das am stärksten mit Nervenverbindungen durchzogene Organ. Sie füllt den ganzen Maulraum aus, sodass bereits ohne Annehmen der Zügel durch ein Gebiss eine geringfügige „Quetschung“ der Zunge erfolgt. Bei einer unnötig starken Verbindung durch den Zügel erfolgt ein Druck auf die Zunge durch das Gebiss von der oberen Seite, gleichzeitig spürt das Pferd den Druck auf der unteren Zungenseite durch die recht scharfkantigen Unterkieferäste. Für das Pferd ist es erfahrungsgemäß am angenehmsten, wenn die Forderung der Reitlehre nach einer „steten, weich-federnden Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul“ Rechnung getragen wird. Dies setzt eine feine, ruhige Reiterhand voraus sowie das richtige Verständnis des Reitens „von hinten nach vorne“. Leider ist häufig zu beobachten, dass Reiter mit undisziplinierter Zügelführung ihr Pferd mit viel „Hand“ in eine Haltung zwingen oder auch den Begriff „Parade“ mit Ziehen am Zügel gleichsetzen. Dies gilt es in der Ausbildung stets zu bekämpfen und muss auch auf einem Turnier konsequent richterlich geahndet werden.

Besonders leichtfertig wird oft zu schärferen Gebissen gegriffen, wenn ein Pferd beim Springen heftig wird. Und dann wird es zum Drama! Schon in der H.Dv.12 von 1924 steht: „Pferde, die zu fest gehalten werden, brechen aus, bleiben vor dem Hindernis stehen (…), falls sie nicht aus Selbsterhaltungstrieb dem Reiter mit Gewalt die Hand nehmen und sich so Luft verschaffen; ein stürmisches, kopfloses Springen ist dann meist die Folge“. Der Gebrauch eines scharfen Gebisses ist in einem solchem Fall ein völlig falsches Mittel, weil es dem Pferd noch mehr Schmerzen bereitet und es immer heftiger wird. Die Korrektur eines heftig gewordenen Pferdes muss darauf basieren, das Vertrauen des Pferdes zur Reiterhand wieder aufzubauen. Die geeignetste Übung dazu ist der häufige Wechsel von „An-die-Hilfen-Stellen“ und „Zügel-aus-der-Hand-kauen- Lassen“, das zunächst auf dem ebenen Hufschlag im Schritt, später im Trab und Galopp geübt wird. Der nächste Schritt ist das Zügel verlängern vor einem oder mehreren Bodenricks aus dem Trab, danach vor einzelnen Sprüngen aus dem Trab. Beim späteren Springen aus dem Galopp ist dann auch konsequent darauf zu achten, dass der Reiter in Richtung Sprung zum Nachgeben kommt, ggf. kann er in Annäherung auf den Sprung mehrfach überstreichen. Die Pferde werden dann mit der Zeit deutlich ruhiger und gelassener, weil sie keine Angst mehr vor ziehenden Reiterhänden zu haben brauchen. Werden Pferde vor einem Sprung nicht mehr gestört, werden sie auch aufmerksamer und lernen, fehlerfrei zu springen. Merke: Ein scharfes Gebiss ist die sicherste Methode, ein Pferd vom Mitmachen und Mitdenken abzubringen!

Leider sind auf Turnieren schon in unteren Klassen Pelham oder Mehrring-Gebisse zugelassen, die schärfer auf das Pferdemaul einwirken. Die Verwendung solcher Zäumungen erzieht die jüngeren oder unerfahrenen Reiter erst recht dazu, ihr Heil in vermeintlich „bremsenden“ Gebissen zu suchen, statt von Anfang an auf richtige Ausbildung zu setzen, die den Einsatz von solchen oder anderen „Hilfsmitteln“ erst gar nicht erforderlich macht.