Einen Tag lang führte der ehemalige Bundestrainer der deutschen Vielseitigkeitsreiter, ehemalige Leiter der Westfälischen Reit- und Fahrschule Münster und Mitglied im Aufsichtsrat von Xenophon e.V., Martin Plewa, am 11. Juli 2021 in die theoretischen und praktischen Grundkenntnisse der korrekten Versammlung ein. Der Einladung von Marianne Kähler, Xenophon-Regionalvertreterin für Hessen, folgten rund 50 Teilnehmer/Innen. Unter ihnen zahlreiche aktive Reiter, Interessierte und Trainer. Im theoretischen Teil erklärte Plewa zunächst die Ursprünge der Versammlung, welche in einem praktischen Teil im Anschluss vertieft wurden.

Xenophon-Seminar mit Martin PlewaGrundsätzlich habe die Versammlung ihre Bedeutung vor allem im Krieg. Denn im Kampf verlangte die Wendigkeit einen gewissen Grad an Versammlung bzw. Tragkraft. Martin Plewa betonte dabei, dass es dabei nicht in erster Linie darum gehe, das Pferd auf die Hinterhand zu bringen. Grundsätzlich trägt das Pferd den Reiter nämlich mehr mit seiner Halsmuskulatur (55 %) und etwas weniger mit der Hinterhand (45 %). Hieran ändert sich auch nichts in der Versammlung. Ziel der Versammlung sei im Wesentlichen nur, dass das Pferd lernt, sich insgesamt auf kleinerer Grundfläche auszubalancieren. Dies kann es umso leichter, je mehr Schubkraft es zuvor entwickelt hat. Die bessere Wortwahl eines Trainers zu seinem Reitschüler wäre also: „Du musst die Hinterhand noch etwas mehr heranschließen“.

„Der Reiter muss das Genick des Pferdes immer nach vorne lassen wollen.“

Im Anschluss erklärte Martin Plewa, welche Übungen sich für die Entwicklung der Versammlung am besten eignen. Durch das Reiten von versammelnden Übungen, wie beispielsweise das Reiten auf dem Zirkel, Zirkel verkleinern, Volten, Schlangenlinien, Reiten im Schulter-Vor und Schulter-Herein kommt es zu einer kleineren Winkelung in Hüft-, Knie- und Sprunggelenk, der sog. Hankenbeugung. In der Folge kippt das Becken des Pferdes nach hinten ab, wodurch das Pferd vorne größer wirkt, weil der Brustkorb angehoben wird. Je höher der Brustkorb angehoben wird, um so beweglicher ist die Wirbelsäule des Pferdes nach allen Seiten, eine wichtige Voraussetzung für das Reiten von Lektionen in Längsbiegung wie bspw. Reiten auf dem Zirkel, Volten, Traversalen. Durch das versammelnde Fußen unter den Schwerpunkt entsteht mehr Lastaufnahme und Rippenbiegung ist umso leichter möglich. Der Reiter muss dabei das Genick des Pferdes immer nach vorne lassen wollen, darf es nicht festhalten, um somit keine Blockaden in der Wirbelsäule zu erzeugen und den Schub aus der Hinterhand nicht zu blockieren.

Reele Versammlung nur durch die korrekte Erarbeitung der Skala der Ausbildung

Voraussetzung für reelle Versammlung sind alle anderen Aspekte der Skala der Ausbildung des Pferdes wie Takt, Losgelassenheit, Schwung, Geraderichtung und Durchlässigkeit der Hilfen. Den stärksten Versammlungsgrad erfordere aber die Passage. Leider sieht man bei dieser Lektion in der Realität häufig höchste Belastungen für die Gelenke der Vorderbeine. Auch in der Piaffe muss das Pferd vorne groß bleiben, sonst sei es schädlich für die Vorderbeine. Plewa betonte, dass der Aufbau der für die Versammlung benötigten Muskulatur ihre Zeit braucht. Häufig wird im Training viel zu lange am Stück versammelt geritten. Hierdurch gehen dann insbesondere die Losgelassenheit und die Anlehnung verloren. Die Pferde werden widersetzlich und erleiden nicht selten einen mentalen Schaden. In Dressur-Küren ist daher auch die Zahl der Piaffe- und Passage-Tritte inzwischen begrenzt worden.

Der Reiter sitzt in der Versammlung weiterhin in der Bewegung und behält das Pferd vor sich. Er lehnt sich in keiner Weise zurück und versucht durch Rücklage das Pferd zu versammeln. Eine Verstärkung im Trab oder Galopp wird durch die Versammlung, d.h. ein mehr Engagement in der Hinterhand vorbereitet.

Auch Springpferde profitieren von einer Ausbildung ihrer Schub- und Tragkraft: Das Überwinden eines Doppel-Oxer erfordert mehr Schubkraft, ein Steilsprung mehr Tragkraft und somit Hankenbeugung.

Wichtig sei dabei allerdings immer, dass die Versammlung nicht zu früh gefordert würde. Durch die heutigen „Zuchtprodukte“ lassen sich laut Plewa die Pferde sich von Hause aus schon sehr früh für die höheren Lektionen anbieten, ohne dass hierfür aber schon ausreichend Muskulatur vorhanden wäre. Hierdurch wird einem verfrühten Gelenkverschleiß Vorschub geleistet.

Voraussetzungen für die versammelnde Arbeit

Für Martin Plewa gibt es diverse Faktoren, die die Versammlung möglich machen

  • Durchlässigkeit: Das Pferd muss durchlässig sein.
  • Anlehnung: Das Pferd muss kontinuierlich vorwärts gehen und sich am Gebiss abstoßen, d.h. der Druck am Zügel ist mal mehr mal weniger vorhanden. Die Schubkraft führt zu konstanter Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul/Gebiss. Je mehr Schubkraft wirkt, desto mehr Kontakt hat der Reiter an der Hand. Am wichtigsten: Der Zug an den Zügel muss durch die Schubkraft des Pferdes erfolgen und nicht durch den Zug des Reiters!!
  • Ein gewisses Maß an Geraderichtung muss vorhanden sein. Entsprechend der verbleibenden natürlichen Schiefe wird das Maß der Versammlung auf beiden Händen etwas unterschiedlich ausfallen.
  • Ein gewisses Maß an Muskulatur ist unabdingbar.
  • Beim Reiter muss ein Gefühl für das angemessene Tempo und gleichmäßigen Rhythmus Tempounterschiede müssen harmonisch geritten werden ohne den Rhythmus zu stören. In einer Verstärkung darf der Reiter nicht schneller treiben („Im Zulegen nicht an Beschleunigen denken“), sondern eher langsamer und raumgreifender. In der Rückführung muss er an Fleiß denken und eher schneller treiben, um so die Frequenz und die Höhe des Abfußens zurück in den geringeren Raumgriff der Versammlung zu erhöhen. Die Qualität einer Verstärkung hängt ab von der Vorbereitung in der Versammlung.
  • Treiben ist nicht gleich treiben. Es gibt vorwärtstreiben mit dem Unterschenkel am Gurt. Und es gibt Zurücktreiben (z.B. von einer Verstärkung zurück in die Versammlung). Hierbei werden beide Schenkel leicht zurückgenommen, der Druck wird leichterhöht. Dadurch werden die Hinterbeine aktiviert, mehr unter den SP zu treten und fleißig abzufußen.
  • Der Wert des Handwechsels sei nicht zu unterschätzen. Das innere Hinterbein muss gleichmäßig trainiert werden.
  • Der Galopp hat von Natur aus eine versammelnde Wirkung, da die Beckenkippung nach hinten unten automatisch durch die Fußfolge gegeben ist: Das innere Hinterbein springt bei jedem Galoppsprung immer weiter vor in Richtung unter den Schwerpunkt als das äußere. Dadurch entsteht eine leichte Rippenbiegung. Durch das Reiten im Schulter-Vor im Galopp wird das innere Hinterbein außerdem zum schmaleren Fußen angeregt. Das Reiten im Schulter-Herein fördere zwar den Versammlungsgrad, da das innere Hinterbein noch deutlicher unter den Schwerpunkt springt, jedoch ist diese Lektion für den Takterhalt eher nicht förderlich. Die diagonale Zweibeinstütze geht leicht verloren und es werden zwei aufeinanderfolgende Einbeinstützen daraus (Vierschlag).
  • Schulter-Herein im Trab nicht 60 Meter am Stück reiten, sondern 30 Meter nach rechts gestellt, umstellen und 30 Meter nach links gestellt reiten. Fördert die Koordination von Reiter und Pferd und die Geraderichtung.
  • Korrektes Reiten von halben Paraden: Wann wirkt eine halbe Parade versammelnd? Wenn das Pferd hierauf fließend reagiert. Wie erreicht man das? Mit deutlich vortreibenden Hilfen! Parieren bedeutet treiben und nicht in Rücklage gehen mit dem Oberkörper und am Zügel ziehen.

Auch Übergänge in die nächst höhere Gangart müssen durch eine halbe Paraden vorbereitet werden.

  • Losgelassenheit: Pferd muss losgelassen sein. Wenn es das noch nicht ist, muss Reiter die Paraden eher auslaufend reiten, damit die Rückentätigkeit erhalten bleibt. Wenn Paraden zu hart mit zu viel Handeinwirkung und wenig treibenden Hilfen gegeben werden, steht das Pferd nicht wirklich vor den treibenden Hilfen.

Missverständnisse entstehen schnell

Für Martin Plewa ging es im weiteren Verlauf auch um mögliche Missverständnisse und Fehlerquellen auf dem Weg zur Versammlung hinzuweisen. Oft würden die Pferde in der Lösungsphase zu stark auf die Vorhand geritten durch zu tiefes Einstellen. Diese Vorgehensweise steht so nirgends in den Richtlinien! Der Begriff „Vorwärts-abwärts“ ist lediglich auf die Haltung des Pferdes bezogen im Hals-Kopf-Bereich und zwar in dem Sinne, dass sich das Pferd in Anlehnung  im Hals fallen lassen soll. Es steht nirgends, dass die Pferde abwärts auf die Vorhand geritten werden sollen.

Zudem wird die Rückentätigkeit häufig auch durch den Schiebesitz behindert. Beim Parieren geht es aber nur darum, seinen Körperschwerpunkt durch Aufrichtung des Oberkörpers etwas nach hinten zu verlagern. Vielen Reitern muss wieder beigebracht werden, schneller oder langsamer zu sitzen, um so ihr Pferd mehr aus dem Sitz als mit den Händen/Zügelfäusten zu beeinflussen. Hilfen werden generell nicht stärker eingesetzt, sondern nur wiederholt!

Auch die Gewichtshilfen scheinen nicht immer klar verstanden zu sein. Martin Plewa bevorzugt – um Missverständnissen vorzubeugen – bei der Definition der Gewichtshilfen lieber die englische Formulierung: „nur etwas mehr oder weniger Gewichtshilfe“. Mit der aktuellen Formulierung der be- und entlastenden Geweichtshilfe würde zu wenig berücksichtigt, dass bei einer belastenden Gewichtshilfe die Rückentätigkeit nicht eingeschränkt werden darf. Seiner Meinung nach führe auch die frühere Anweisung in den Richtlinien „Kreuz anspannen“ zu einer völlig falschen Vorstellung von Gewichtshilfen und wurde wieder gestrichen.

Traversalen gleich Versammlung?

Für Martin Plewa ein absolutes ja! Denn in der Traversale tritt das Pferd abwechselnd mit einem Hinterbein nach vorne unter seinen Schwerpunkt. Grundsätzlich sei beim Reiten von Traversalen aber zu bedenken, dass die seitliche Beweglichkeit der Pferdebeine von Natur aus begrenzt ist. Dies macht das seitwärts gehen einigermaßen anstrengend für das Pferd. Es ist die einzige Lektion, die das Pferd in der Natur nicht von sich aus macht.

Insbesondere die Traversale zur Zwangsseite hin ist für das innere Hinterbein sehr anstrengend. Häufig wird hier zu viel seitwärts verlangt und man erreicht genau das Gegenteil: Das Pferd entzieht sich mit diesem Hinterbein immer mehr. Diesen Fehler zu korrigieren ist sehr schwer.

Für Martin Plewa ist die versammelnde Arbeit an der Hand eine weitere Möglichkeit, das Pferd zunächst ohne Reitergewicht an die Lektionen der schweren Klasse heranzuführen. Es bedarf hierzu aber eines sicheren Longenführers, der in der Lage ist, mit seinen Hilfsmitteln wie Handarbeitspeitsche, Körpersprache und Stimme die fehlende Gewichts- und Schenkelhilfen zu ersetzen. Aber auch durch Trabarbeit über Bodenricks oder das Freispringen kann Schubkraft nachhaltig entwickelt und gefördert werden sowie Beweglichkeit gefördert werden. Hierbei wird die Schwebephase verlängert und die Gelenke in den Hinterbeinen werden stärker angewinkelt.

Wie erarbeitet man sich Versammlung?

Der wichtigste Aspekt für die versammelnde Arbeit sei laut Plewa die Vorstellung im Kopf des Reiters, dass er in der Versammlung oder auch in der Rückführung aus einer Verstärkung an Zulegen denkt und eben nicht versucht, langsamer zu reiten. Eine versammelnde Übung ist z.B. das Zirkel verkleinern im Arbeitsgalopp, wobei der Reiter an vorwärtsreiten denkt und eben nicht die Galoppsprünge verkürzen möchte. Die Übung bzw. hier die kleinere Zirkellinie fordert das Pferd sich zu versammeln, nicht der Reiter etwa mit Ziehen am Zügel oder zurücktreibenden Schenkeln. Der Reiter muss lediglich kürzer und tiefer Einschwingen in die versammelten fleißigen Tritte/Sprünge. Anschließend hieraus wieder die Tritte/Galoppsprünge verlängern durch raumgreifenderes Einschwingen und zwar nur für ca. 4 Trabtritte/Galoppsprünge, dann wieder verkürzen. Mini-Übergänge reiten fortlaufend im Trab und im Galopp versammelt ebenfalls sehr gut insbesondere große Rechteck-Pferde.

Nach einer Mittagspause ging es für die Teilnehmer dann zum praktischen Teil in die Reithalle. Fünf Reiter/Innen unterschiedlicher Ausbildungsklassen erhielten auf ihren eigenen Pferden die Möglichkeit mit Martin Plewa die Theorie in die Praxis umzusetzen. Dabei holte Martin Plewa jede(n) Reiter/in mit seinem/ihrem Pferd dort ab, wo er/sie sich gerade befand und verdeutlichte insbesondere den Trainern/-innen unter den Teilnehmern, welcher Trainingsaufbau beim jeweiligen Pferd sinnvoll ist. Die Wirksamkeit der vorgeschlagenen Lektionen konnte man dann auch innerhalb der 30 Minuten, die jedem Reiter/in zur Verfügung standen, deutlich erkennen.

Am Ende hatten alle Teilnehmer erkannt, dass Versammlung überhaupt nichts mit langsamer reiten zu tun hat, sondern vielmehr mit mehr Fleiß im Abfußen aller vier Pferdebeine.

Herzlichen Dank an Familie Peicker, die uns freundlicherweise ihre Reitanlage Hofgut Liederbach zur Verfügung gestellt hat.

Marianne Kähler