Die Pferdewelt hat sich verändert. Die Montags-ist-Stehtag- und Eine-Stunde-Arbeit-23-Stunden-Box-Mentalität ist Geschichte. Glücklicherweise! Wer als Stallbetreiber Erfolg haben will, muss mit pferdegerechten Haltungsbedingungen punkten. Das ist gut und richtig. Und es ist auch nichts dagegen zu sagen, dass es Menschen gibt, die mit ihrem Pferd am Boden kommunizieren statt vom Sattel aus. Aber ist das zwangsläufig pferdefreundlicher? So manche Methode aus dem Bereich des Natural Horsemanship ist mindestens genauso umstritten, wie fragwürdige Trainingsmethoden unter dem Sattel. Und trotzdem zeigt man gegenseitig mit dem Finger auf sich.

Ausbildung nach den klassischen Grundsätzen: Aktueller denn je!

Xenophon setzt sich ein für die klassische Ausbildung, weil sie der Weg ist, um ein Reitpferd langfristig psychisch und physisch gesund zu erhalten. Sicher, die Zucht hat riesige Fortschritte gemacht. Dadurch wird dem Reiter vermeintlich Arbeit abgenommen. Tatsächlich sind die hoch elastischen und beweglichen Pferde von heute aber gesundheitlich noch viel anfälliger als die Remonten der Kavallerie, deren Ausbildung die Vorlage der H.Dv.12 war, auf der unsere heutige Reitlehre basiert. Die geduldige Förderung der Pferde entsprechend der Skala der Ausbildung hatte den Sinn, die Militärpferde langfristig einsatzbereit zu erhalten. Der klassische Weg ist also nicht überholt, sondern aktueller denn je, denn er macht auch moderne Sportpferde langfristig gesünder, fitter und belastbarer.

Hauptsache pferdegerecht!Das Problem ist, dass die Pferdewirtschaft inzwischen ein riesiger Markt ist, ein eigener Industriezweig mit seinen eigenen Gesetzen, die häufig zu Lasten des Pferdes gehen. Gegen Praktiken, bei denen die Pferde früh verschlissen werden, muss vorgegangen werden. Da kann es keine zwei Meinungen geben. Aber nicht jeder Reiter, der seinem Pferd einen Sattel auf den Rücken legt und ein Gebiss ins Maul schnallt, ist ein Tierquäler. Im Gegenteil. So manches Sportpferd ist totunglücklich, wenn es nach seiner aktiven Karriere nicht mehr geritten wird. Und die Menschen, die meinen, Sportreiterei sei Tierquälerei haben sicherlich noch nie auf einem Vielseitigkeitspferd in der Startbox gesessen, einem Springpferd beim Anritt oder einem Dressurpferd, das für den Reiter spür- und für den Zuschauer sichtbaren Spaß daran hat, sich zu präsentieren.

Auf das Management kommt es an!

Ja, man kann darüber diskutieren, ob dreijährige Reitpferde aufs Turnier gehören. Und man kann sich aus gutem Grund dagegen aussprechen. Das eigentlich verwerfliche daran ist aber, dass die Pferde im Vorfeld eines Turnierstarts häufig so „vorbereitet“ werden, dass sie sich verkaufsfördernd präsentieren. Hier gilt: Die Dosis macht das Gift. Es gibt auch genügend Beispiele dreijährig schon hoch erfolgreicher Pferde, die später in der Klasse S Fuß gefasst haben und jahrelang gesund und erfolgreich waren. Auf das Management kommt es an. Kurz und gut: Pferdemenschen gibt es in allen Sparten, in allen Disziplinen und in allen Ländern der Welt – ebenso wie schwarze Schafe. Wer sich mit Pferden beschäftigt, hat eine große Verantwortung, nicht nur gegenüber dem einzelnen Tier, sondern gegenüber der gesamten Population. Ohne Pferde wäre unsere Zivilisation nicht da, wo sie heute ist. Inzwischen ist es umgekehrt. Ohne den Pferdesport und die vielfältigen alternativen Beschäftigungen mit dem Pferd wären unsere Lieblingstiere heute vielleicht nur noch Schnitzellieferanten. Insofern sitzen alle Reiter und Pferdeliebhaber in einem Boot. Wichtig ist doch nur, egal was man macht, es sollte sich an den Bedürfnissen des Pferdes orientieren, ob nun mit oder ohne Sattel.