Vom 30. September bis zum 2. Oktober fand auf Gut Göritz der zweite Lehrgang diesen Jahres mit Christine Stückelberger statt. Insgesamt 12 Teilnehmer zwischen 14 und 50 Jaren waren nach Sachsen gekommen, um sich weiter in der klassischen Reitausbildung von der ehemaligen Olympiasiegerin schulen zu lassen. Vom gerade eingerittenen Jungpferd, über Korrekturpferde, Schulpferde, Turnierpferde bis hin zum Grand-Prix-Pferd zeigten sich die verschiedenen Ausbildungsstufen der Pferde. Und Christine Stückelberger konnte bei jedem Reiter/Pferd-Paar in den drei Tagen Wege zu mehr Harmonie aufzeigen. Neben einer ambitionierten Wiedereinsteigerin, die nach 3 Jahren Baby-Pause intensiv ihren Sitz schulte, einer jungen Turnierreiterin, die in den Lektionen der Klasse A bis M an ihrem Gefühl und dem Timing für die feine Hilfengebung arbeitete, oder die Grand-Prix-Reiterin, die sich für ausdrucksvollere Einerwechsel, Traversalen und Pirouetten einsetzte. Für alle galt:

„Als erstes kommt der Sitz, als zweites das Bein und dann erst – als drittes die Hand“, so Christine Stückelberger, „ohne den korrekten Sitz werden Sie niemals die Lektion korrekt reiten können.“

Eileen Panier, Leiterin der Reitschule Krosigk bei Halle und ihre Trainerkollegin Jennifer Herzau, beide schon mehrfache Teilnehmer der Lehrgänge dazu: „Für uns als Trainer ist es natürlich besonders Gut Göritz - Xenophon-Seminar mit Christine Stückelbergerlehrreich spüren zu können, wie wenig es eigentlich braucht, um von seinem Partner Pferd die gewünschte Leistung abzurufen und wie wichtig dabei der korrekte Sitz ist.“ Und so stellte sich im Verlauf des Lehrgangs immer wieder heraus, dass weniger (wie so oft) mehr ist. „Vor die Hand und auf das Bein: Mit dem Unterschenkel treiben! Nicht mit dem Oberschenkel oder dem Knie klemmen,“ erklärte Stückelberger. Und schon ging das Pferd lockerer, besser in Anlehnung oder Aufrichtung, das Hinterbein konnte durchschwingen und die gestellten Aufgaben gelangen um Klassen besser. Die Pferde gewannen sichtbar an Ausdruck und Kadenz. Und mit einem Lächeln auf den Lippen fügte die Schweizerin hinzu: „Spüren Sie das? – So hat Ihr Pferd Freude an Ihnen!“

Klassische Reitweise – für junge Pferde der Weg zum Vertrauen
Immer wieder ein Höhepunkt bei den Lehrgängen mit Christine Stückelberger ist der Samstag Nachmittag bzw. der Abend. In der ersten Vorführung wurde diesmal das Einreiten eines jungen Pferdes gezeigt. Oberstes Ziel ist dabei, dem jungen Pferd die Freude an der Arbeit zu erhalten. Am langen Zügel trabend (an der vollen Tribüne vorbei) sich selber und den noch ungewohnten Reiter ausbalancierend zeigte Fürst Fernando von Fürst Wettin seinen ausgeglichenen Charakter und sein Vertrauen zu den Menschen. Selbst der abschließende erste Applaus war für ihn zwar höchst interessant, aber in keiner Weise beängstigend. Die Xenophon-Regionalvetreterin Christina Barofke zeigte dann anhand der Franklin-Bälle, die seit kurzem durch Eckhard Meyners Einzug in die Reiterei gefunden haben, wie das Bewegungsgefühl und die Körperwahrnehmung geschult werden können.

Der 15-jährige Daniel erarbeitete sich abschließend mit seinem Sandro Hit-Sohn „Spirit“ das richtige Timing für die fliegenden Wechsel. Eindrucksvoll konnten die Zuschauer sehen, wie wichtig der richtige Zeitpunkt für die Hilfen ist. Zuviel Hand, zuviel Druck im Bein, zu späte Reaktion führten zu hoher Kruppe, Nachspringen der Hinterhand oder flachem, nicht nach oben herausgesprungenem Wechsel. Immer sofort und perfekt von Christine Stückelberger korrigiert und kommentiert und damit für die Zuschauer sichtbar und nachvollziehbar. Sobald ein Wechsel gut gelang wurde die Hand gewechselt und dann war Schluss. Das  Credo von Christine Stückelberger: „Wenn eine Lektion gut gelingt – Schritt und belohnen. So merkt sich das Pferd die Lektion am besten. Auf keinen Fall immer wieder die Lektion wiederholen – das ist nur ermüdend für das Pferd und es verliert die Lust an der Arbeit.“

Ritte aus Rio unter der Lupe in Sachsen
Danach ging es für die Teilnehmer und Zuschauer in das Dachgeschoss des Gutshauses zum Vortrag. Unter den Zuschauern befanden sich etliche Trainer, selbst aus dem fernen Westerwald waren sie extra angereist. Christine Stückelberger hatte sich die Kommentierung von Olympia-Ritten aus Rio de Janeiro vorgenommen. Diverse Ritte wurden detailliert, Lektion für Lektion kommentiert. Auf Reiterfehler wurde hingewiesen und die daraus folgenden Fehler in den Lektionen. Aber auch das unterschiedliche Gangvermögen der Pferde wurde besprochen und die im klassischen Sinne korrekten Lektionen und Ritte erklärt. Deutlich sichtbar für alle wurden die künstlich antrainierten (spektakulären) Gänge, die sich durch das verspannte Anreißen der Beine auszeichnen und zu unruhiger, verkrampfter Schweifhaltung oder zu ungleichen Tritten, oder dem „Hakeln“ in den Piaffen oder bei der Passage führen.

In den Kommentaren kam auch Stückelbergers Erfahrung als langjährige internationale Richterin zum Tragen. „Das Richten stellt hohe Anforderungen an die Richter und ist hochkomplex“, so Stückelberger, „Ein Richter muss sehen, fühlen und erkennen können. Er muss wissen, wie die Lektion korrekt geritten und ausgeführt wird, er muss sehen, was der Reiter falsch macht. Dazu sollte der Richter in der Klasse, die er richtet auch selber erfolgreich geritten sein. Nur wer weiß, wie sich die korrekt gerittene Lektion anfühlt, kann sie bei anderen sehen und erfühlen und sie dann korrekt beurteilen. Denn:  Wie die korrekt gerittenen Lektionen aussehen sollen, ist klar definiert – da gibt es keinen Interpretationsspielraum.“

Nach den Olympia-Ritten am Samstag Abend gingen die Reiter am Sonntag noch einmal hoch motiviert ins Training. „Sie gab konkrete Korrekturvorschläge denen stets die Erklärung und ein Feedback folgten“, so Doris Campo, Grand Prix Reiterin und ehemalige Bundestrainerin der behinderten Dressurreiter. Bevor Christine Stückelberger wieder nach Hause flog, wurde sie von allen Teilnehmern und Zuschauern herzlich und dankbar verabschiedet. „Uns beeindrucken die höflichen, aber doch kritischen Anmerkungen von Frau Stückelberger, vor allem im Rahmen des Abendvortrages, aber auch gegenüber der Reiter vor Ort. Nie gibt sie einem das Gefühl sich angegriffen fühlen zu müssen und dennoch wird man aufgefordert, sein Tun und Handeln kritisch zu betrachten“, so Eileen Panier. Hinter allen lag ein intensives Wochenende, das wieder zu vielen neuen Erfahrungen und Erkenntnissen geführt hat. „Es gibt nur noch ganz wenige Menschen auf der Welt, die dieses schier unerschöpfliche Wissen über Pferde und ihre korrekte klassische Ausbildung haben; die insbesondere das Wohl des Pferdes immer wieder in den Mittelpunkt stellen, auch und gerade bei der Arbeit“, so Barofke, „ich wünsche mir, dass wir noch ganz oft an diesem großen Wissensschatz und Können von Christine Stückelberger teilhaben können.“

Der nächste Lehrgang mit Christine Stückelberger ist bereits geplant: Interessierte können sich den 28. April bis 1. Mai 2017 schon einmal vormerken. Eine Einladung folgt.