Anfang August in Verden, WM der jungen Dressurpferde: Andreas Helgstrand auf der enggezogenen und um ihre Balance kämpfende Stute Fiontina gewinnt Silber. Mitte August: EM-Auftritt Totilas unter Matthias Alexander Rath, letzte Grußaufstellung nach dem Ritt, in dem der Hengst deutlich unklar ging. Rath reckt im vermeintlichen Triumph die Arme in die Höhe, Totilas lässt den Kopf hängen und schont das verletzte Hinterbein. Zwei Tage später: Die neuen Mannschaftseuropameister Edward Gal und Undercover werden im Grand Prix Special angeklingelt. Der Grund: Blut im Maul des Pferdes. Drei Wochen später: Bundeschampionat in Warendorf, frustrierte Reiter und Trainer, empörtes Publikum.

In den vergangenen Wochen erlebte der Reitsport einen Tiefschlag nach dem nächsten. Es geht um Medaillen, Sponsorengelder, Fernsehzeiten, Olympiapräsenz – zunehmend auf Kosten der Pferde. „Und vergesst mir die Pferde nicht!“, sagte schon der Xenophon-Mitbegründer Hans-Heinrich Isenbarth einst. Aus heutiger Sicht erscheint seine Mahnung wie eine selbsterfüllende Prophezeiung.

Xenophon: Aggressives Reiten – es geht alle an!

Aggressives Reiten – es geht alle an!

Wo im Sport ist das Pferd noch ein wirklicher Partner? Bei den Vielseitigkeitsreitern, die darauf angewiesen sind, dass ihre Pferde im Gelände mitdenken und motiviert bleiben. Hier gibt es keine Möglichkeit, Leistung zu erzwingen. In der Dressur ist das anders. „Learned helplessness“ nennt die Wissenschaft beispielsweise das Phänomen, wenn ein sich quasi aufgegeben hat und nicht mehr dagegen aufbegehrt, in eine unnatürliche Kopf- und Halshaltung gezwungen zu werden. LDR, Low, Deep, Round, wie der Weltreiterverband FEI diese Trainingsmethode schönredet. Zehn Minuten ist sie auf internationaler Ebene erlaubt. Ein fauler Kompromiss, der impliziert, dass man sich beim Ausarbeiten dieser Regel im Klaren darüber war, dass Reiter hier etwas tun, was eigentlich nicht zum Wohle des Pferdes ist. Andernfalls bräuchte es ja keine zeitliche Beschränkung! Wieso haben sich Funktionäre und Aktive dann überhaupt darauf eingelassen?

An den entscheidenden Stellen mangelt es an klarer Positionierung und/oder konsequentem Handeln. Wie kann es sein, dass ein Paar, welches bekanntermaßen von einem der größten Verfechter der Hyperflexion trainiert wird, Pferdedeutschland repräsentieren darf? Dass jemand, von dessen Methoden Offizielle sich öffentlich distanzieren, plötzlich Seite an Seite mit den deutschen Trainern und Disziplinarverantwortlichen über den Ritt von Matthias Rath und Totilas jubelt, der noch zudem für jedermann offensichtlich lahmte?

Punkt 3 der „Ethischen Grundsätze im Pferdesport“ der FN lautet: „Der physischen und psychischen Gesundheit des Pferdes ist unabhängig von seiner Nutzung oberste Priorität einzuräumen.“ Anscheinend ist dieser Passus im Deutschen Olympiade-Komitee für Reiterei (DOKR) in Vergessenheit geraten. Beim Weltreiterverband heißt es: „Welfare of the horse must never be suordinated to competitive or commercial influences“, zu Deutsch: Das Wohlergehen der Pferde darf niemals sportlichen oder kommerziellen Interessen untergeordnet werden.”

Nicht an ihren Worten, an ihren Taten sollt ihr sie erkennen…