Kennen Sie das Wort „Problempferd“? Es steht in keinem Duden, ist aber trotzdem ein gängiger Begriff im Sprachgebrauch von Reitern. Gemeint sind häufig Pferde, die guckig, hypernervös, extrem heiß – manchmal auch das Gegenteil –, oder sonstiges sind. Ja, es stimmt, solche Pferde machen Probleme. Und trotzdem sollte es eher „Problembesitzer“ oder „-reiter“ heißen. Denn die allermeisten dieser Schwierigkeiten im Umgang und/oder beim Reiten sind vom Menschen hausgemacht – immer vorausgesetzt, das Pferd ist körperlich gesund und die Ausrüstung passt und sitzt angenehm.

Am offensichtlichsten ist sicherlich die Haltungsfrage. Ein Pferd seinen Bedürfnissen entsprechend zu halten, muss auch die Möglichkeit, mehrstündiger freier Bewegung bieten. So weit, so klar. Nur: Wo dem einen Pferd zwei Stunden Weidegang voll ausreichen, um sich wohl zu fühlen, ist das dem anderen noch lange nicht genug. Und wenn man als Mensch den Eindruck hat, das Pferd ist ständig unausgeglichen, liegt es vielleicht daran, dass es einfach nicht genug freie Bewegung hat. Wer in dieser Hinsicht Bedenken wegen der Verletzungsgefahr hat – die sind nicht unberechtigt. Aber die Gefahr einer Verletzung wird umso größer, je wilder das Pferd sich gebärdet, wenn es denn endlich einmal frei laufen darf. Und schlimmer noch: Die Gefahr der Selbstverletzung des Pferdes wird schnell auch zu einer Gefahr für den Mensch, wenn das Pferd im Umgang und unter dem Sattel und im Umgang ebenso ungestüm agiert. Pferde, die die meiste Zeit des Tages auf der Weide oder im Offenstall in einer vertrauten, stabilen Herde ohne Stress verbringen, haben mehr Freude am Leben, weniger gesundheitliche Probleme und sind viel ausgeglichener als die Kollegen, die 20 Stunden am Tag (oder sogar noch mehr) in der Box verbringen. Sie sehen mehr, hören mehr, riechen mehr und sind dadurch auch weniger schreckhaft.

Eine große Rolle hinsichtlich Zufriedenheit und Ausgeglichenheit der Pferde spielt auch das Training und überhaupt der Kontakt mit dem Menschen. Wir sind für die Pferde entweder gleich-, nieder- oder höherrangige Partner oder aber auch Feind. Damit Mensch und Pferd miteinander arbeiten können, muss das Pferd den Menschen als ranghöher akzeptieren – alles andere wäre zu gefährlich! Als „Chef im Ring“ akzeptiert das Pferd uns aber nur dann, wenn es sich in unserer Gegenwart vollkommen sicher fühlt. Das erreicht man nur durch geduldige Konsequenz, niemals durch Gewalt.

Und apropos Gewalt – Angst und Stress sind nicht nur Beziehungs-, sondern auch Lernkiller. Der Mensch muss sich auf das Lerntempo des Pferdes einlassen und nicht umgekehrt: Hat ein Pferd eine Aufgabe verstanden, wird es diese in der Regel willig und freudig ausführen. Wenn es sich weigert, liegt das meist daran, dass der Mensch nicht klar und eindeutig genug vermitteln konnte, was das Pferd tun soll. Folgt daraufhin eine Strafe, ist man mittendrin im schlimmsten Teufelskreis – das Pferd bekommt Angst, verweigert sich, schaltet innerlich ab, verliert jegliches Vertrauen in den Menschen. Der Mensch agiert womöglich noch aggressiver, mit noch mehr Druck und noch weniger Erfolg. Aus einem Missverständnis wird ein Krieg, den beide Seiten verlieren. Setzt man nach dem ersten Misserfolg hingegen in Ruhe noch einmal an, geht vielleicht erstmal wieder zwei Schritte zurück in fürs Pferd bekanntes Terrain und versucht es dann erneut, hat man gute Chancen, zum Ziel zu kommen. Und: Je sensibler ein Pferd ist, desto weniger verzeiht es ungerechte Behandlung. Das wirkt sich nachhaltig negativ auf die Partnerschaft aus. Das sind Grundsätze, die fürs Reiten, aber auch für den Umgang gelten, und die jeder Reiter unbedingt kennen und beherzigen muss!