Geschätzt setzt die deutsche Pferdewirtschaft rund 6,7 Milliarden Euro um. Ein Großteil davon liegt im Bereich Einzelhandel und Dienstleistungen, der Rest kommt durch die Ausgaben für die Haltung von Pferden zustande. Bei Reitpferdeauktionen wurden 2018 laut FN-Statistik fast 20 Millionen Euro generiert. Kurz: Die Pferdebranche ist ein großer Markt. Früher hieß es immer ironisch, man könne mit Pferden ein kleines Vermögen machen – so man denn vorher ein großes hatte. Es geht aber auch anders, erst recht, wenn man Pferdehandel in ganz großem Stil betreibt.

Nicht umsonst hat ein namhaftes Finanzinstitut in den 1990er-Jahren seine Anlageberatung mit dem Battle zweier Schulfreunde beworben, bei denen der eine den anderen mit seinen Statussymbolen namens Pferd übertrumpft (und den dazugehörigen Pferdepflegerinnen, aber das ist eine andere Diskussion). Unter den Pferdeliebhabern gibt es viele, die bereit sind, siebenstellige Summen für Pferde auszugeben, die sich als Statussymbole eignen – meist, weil sie besonders talentiert sind. In anderen Kulturkreisen geht es mehr um die Schönheit der Tiere. Beides, Talent und Schönheit, sind Zuchtziele, die zu mitunter geradezu perversen Ergebnissen führen können. Da sind Pferde, die so hoch elastisch sind, dass ihr Bewegungsapparat das Gerittenwerden nicht aushält – erst recht, wenn diese Pferde dann wegen der frühen Vermarktungsmöglichkeiten im Schnellverfahren möglichst auf spektakulär gearbeitet werden. Dreijährig Champion, siebenjährig platt – das ist kein Einzelschicksal. Diese Entwicklung ist ein Geschäftsmodell. Schließlich ist der spektakuläre Trab eines Drei- oder Vierjährigen (oder auch eines zweieinhalbjährigen Junghengstes) einem bestimmten Käuferklientel kaum weniger Geld wert wie ein sorgsam ausgebildetes Grand Prix-Pferd. Und das ganz ohne, dass man fast ein Jahrzehnt Kosten hineingesteckt hat.

Das Tier bleibt oft auf der Strecke, kommt darauf an, in was für Hände es als nächstes gerät. Wir sehen diese Entwicklung mit Sorge! Die FN predigt die „Ethischen Grundsätze des Pferdefreundes“ und es gibt einen breiten Kreis von Pferdefreunden, für die diese selbstverständlich sind. Aber es gibt eben auch einen einflussreichen Zirkel, der von dem Geschäft auf Kosten der Pferde lebt. Was ist also zu tun? Die Lösung liegt zum einen auf Seiten der Nachfrage. Wer beim Pferdekauf bereit ist, Geld auszugeben für eine gute Aufzucht, für langsame und sorgfältige Ausbildung, tut etwas zum Wohl der Pferde. Und für das Überleben der kleinen Züchter, für die die Pferde Leidenschaft sind und die im Angesicht der Großen mehr und mehr einknicken. Zum anderen sind wie immer auch die Richter gefragt – sei es nun bei Zucht- oder bei Turnierveranstaltungen –, sich nicht von spektakulären Bewegungen oder der perfekten Manier am Sprung mit übergroßer Vorsicht blenden zu lassen. Gerade Richter in Jungpferdeprüfungen sollten versiert und kompetent genug sein, um auch bei altersgerecht gearbeiteten Pferden die natürliche Veranlagung bewerten zu können. Auch oder vielmehr gerade dann, wenn diese dreijährig noch nicht bemuskelt sind wie arrivierte Landbeschäler in mittleren Jahren …